Amtsgericht Neu-Ulm
11.11.2021

Missbrauch von Vorsorgevollmachten: Ältere Menschen werden immer wieder Opfer / Gesetzesänderung bei der Justizministerkonferenz vorgeschlagen / Justizminister Eisenreich: "Wir müssen Menschen, die aufgrund ihres Alters besonders verletzlich sind, in unserer Gesellschaft wirksam schützen."

Jeder von uns kann plötzlich in die Situation kommen, über wichtige Fragen im Leben nicht mehr selbst entscheiden zu können – so z. B. durch einen Unfall oder eine Erkrankung. Wichtig ist es dann, dass neben einer Patientenverfügung eine Vorsorgevollmacht vorliegt. Die so bevollmächtigte Vertrauensperson, beispielsweise ein Angehöriger, kann sich insbesondere um die finanziellen Angelegenheiten kümmern und den Patientenwillen gegenüber den Ärzten äußern. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: "Mit diesen Fragen beschäftigt sich niemand gerne. Häufig wird das Thema über lange Zeit verdrängt. Aber es ist wichtig, sich rechtzeitig Gedanken zu machen und Vorsorge für den Fall der Fälle zu treffen."

Gerade ältere Menschen werden aber immer wieder Opfer eines missbräuchlichen Widerrufs von Vorsorgevollmachten. Das geltende Recht weist dabei noch folgende Schutzlücke auf: Dritte erschleichen sich das Vertrauen des Vollmachtgebers und lassen sich eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilen. Mit Hilfe dieser Vorsorgevollmacht widerruft der Dritte die weitere Vorsorgevollmacht zugunsten des Angehörigen und übt seine Vollmacht unkontrolliert zum Nachteil des Vollmachtgebers aus. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: "Wir müssen Menschen, die aufgrund ihres Alters besonders verletzlich sind, in unserer Gesellschaft wirksam schützen."

Bayern bringt deshalb einen Antrag bei der heutigen Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister (11. und 12. November) ein, um diesem Missstand abzuhelfen. Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger schlägt der bayerische Justizminister einen gesetzlichen Ausschluss des Rechts des Bevollmächtigten vor, andere Vorsorgevollmachten zu widerrufen. Eisenreich: "Ein solcher Ausschluss des Widerrufsrechts ist in den üblichen Vorsorgevollmachten meistens nicht enthalten. Durch unseren Vorschlag wird sichergestellt, dass der redliche Bevollmächtigte insbesondere mit Hilfe seiner gesetzlichen Auskunftsrechte andere Bevollmächtigte kontrollieren kann. Bei einem konkreten Missbrauchsverdacht kann er das Betreuungsgericht einschalten." Die mit Wirkung zum 1. Januar 2023 eingeführte Vorschrift des § 1820 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ermöglicht dem Betreuungsgericht schnell zu reagieren, indem es die Wirksamkeit der Vollmacht des unredlichen Bevollmächtigten bis zur Klärung der Vorwürfe vorübergehend aussetzt.

Hintergrund:

Der Freistaat setzt sich seit vielen Jahren für die Steigerung der Anzahl der Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten ein. Justizminister Eisenreich: "Das bayerische Justizministerium unterstützt die Menschen bei der Vorsorge: Wir stellen Broschüren und Formularmuster zur Verfügung, die den Bürgerinnen und Bürgern auf verständliche Weise Vorsorgemöglichkeiten an die Hand geben."

  • In der Broschüre "Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter" sind Formulare für eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht enthalten. Diese kann im Buchhandel erworben oder auf der Internetseite des Justizministeriums abgerufen werden unter https://www.justiz.bayern.de/media/pdf/broschueren/vorsorge_unfall_krankheit_alter_19_auflage_2019.pdf.

  • Neben der Vorsorgevollmacht setzt sich das Bayerische Staatsministerium der Justiz auch für die Patientenverfügung rechtspolitisch ein. Die Justizministerkonferenz hat im November 2020 auf Initiative Bayerns Änderungen im Bundesrecht angeregt, um die Qualität von Patientenverfügungen zu verbessern. Ferner wird das bestehende Defizit, dass den behandelnden Ärzten die Existenz einer Patientenverfügung zum Teil nicht bekannt ist, durch Umsetzung eines bayerischen Bundesratsantrags im Rahmen der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, die zum 1. Januar 2023 in Kraft tritt, behoben: Man kann seine Patientenverfügungen dann im Zentralen Vorsorgeregister freiwillig registrieren lassen, in welches Ärzte mit der Reform ein Einsichtsrecht erhalten.

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Wussten Sie eigentlich …?

… dass die Fachgerichtsbarkeiten, d.h. die Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichte in Bayern nicht zum Justizressort, sondern zum Geschäftsbereich der jeweiligen Fachministerien gehören?