Presseerklärung der EU-Kommission wirft Fragen auf / Bayerns Justizminister Eisenreich: "Die Unabhängigkeit der Gerichte darf niemals in Frage gestellt werden." / "Ich erwarte, dass die Stellungnahme der Bundesregierung veröffentlicht wird."
Die EU-Kommission hat am 2. Dezember 2021 bekannt gegeben, das am 9. Juni 2021 aufgrund des EZB-Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2020 eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzustellen. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: "Dies ist im Ergebnis zu begrüßen. Die Erklärung der Kommission zur Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens wirft aber wichtige Fragen auf."
Laut EU-Kommission habe sich die deutsche Regierung in ihrer Stellungnahme verpflichtet, "alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um in Zukunft eine Wiederholung einer ultra-vires-Feststellung aktiv zu vermeiden."
Dazu Eisenreich: "Deutschland ist ein Rechtsstaat mit unabhängigen Gerichten. Dieses Grundprinzip unserer Verfassungsordnung darf nicht angetastet werden. Jede Einflussnahme der Regierung welche Entscheidungen ein Gericht zu treffen oder nicht zu treffen hat, ist ausgeschlossen. Die grundgesetzlich geschützte richterliche Unabhängigkeit steht nicht zur Disposition."
Eisenreich weiter: "Die Stellungnahme der Bundesregierung ist bislang nicht öffentlich. Wir brauchen Transparenz. Ich erwarte deshalb, dass die Bundesregierung ihre Stellungnahme, die sie gegenüber der Kommission abgegeben hat, veröffentlicht. Die Bundesregierung muss auch klarstellen, dass jede Einflussnahme auf das Bundesverfassungsgericht zur Vermeidung von ultra-vires-Entscheidungen ausgeschlossen ist."
Eisenreich: "Im Kern ging es in dem Vertragsverletzungsverfahren nicht um die Frage des Vorrangs des Unionsrechts, sondern um die Frage der Einhaltung der Kompetenzen. Der Vorrang des Unionsrechts kann nicht gelten, wenn die EU-Institutionen außerhalb der ihnen übertragenen Kompetenzen handeln."
Hintergrund:
Hintergrund des Verfahrens ist ein Streit über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 5. Mai 2020 zum Staatsanleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank. Die Karlsruher Richter stellten in ihrem Urteil erstmals fest, dass Handlungen und Entscheidungen europäischer Organe offensichtlich nicht von den an sie übertragenen Kompetenzen gedeckt sind ("ultra vires"). Die Europäische Kommission sieht in dem Urteil einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vorrangs des Europarechts. Aus diesem Grund leitete sie am 9. Juni 2021 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein.
Ob die Kompetenzen überschritten sind, bleibt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in eng begrenzten Ausnahmefällen eine Frage des nationalen Verfassungsrechts und ist vom Bundesverfassungsgericht als Hüter des Grundgesetzes zu entscheiden.
Zur Kritik des Bayerischen Justizministers an dem eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland siehe https://www.justiz.bayern.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/archiv/2021/90.php.
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… dass die Fachgerichtsbarkeiten, d.h. die Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichte in Bayern nicht zum Justizressort, sondern zum Geschäftsbereich der jeweiligen Fachministerien gehören?