Amtsgericht Neu-Ulm
06.10.2022

Ein Jahr Zentraler Antisemitismus-Beauftragter der Bayerischen Justiz / Bayernweite Linie bei der strafrechtlichen Verfolgung von volksverhetzenden Holocaustvergleichen bei Corona-Demonstrationen / Insgesamt Ermittlungen in 657 Fällen / Justizminister Eisenreich: "Deutschlands erster Spezialstaatsanwalt für judenfeindliche Straftaten arbeitet sehr erfolgreich."

Ein Jahr Zentraler Antisemitismusbeauftragter der Bayerischen Justiz: Seit dem 1. Oktober 2021 schaltet sich Oberstaatsanwalt Andreas Franck konsequent bei Verfahren von bayernweiter Bedeutung ein. Er ist bei der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München tätig und kann daher bayernweit eigene Ermittlungsverfahren führen.

Der Vorsitzende der 93. Justizministerkonferenz und bayerische Justizminister Georg Eisenreich zieht eine erste Bilanz: "Die Zahl der antisemitischen Straftaten in Europa, in Deutschland und auch in Bayern steigt. Deshalb haben wir unsere Strukturen weiter optimiert. Deutschlands erster landesweiter Spezialstaatsanwalt für judenfeindliche Straftaten arbeitet sehr erfolgreich: Er hat in einem Jahr in Fällen von bayernweiter Relevanz 65 Ermittlungen selbst eingeleitet, davon in 24 Fällen gegen unbekannte Personen. Dazu kommen 36 allgemeine Prüfvorgänge." Zu seinen Fällen gehören z. B. Volksverhetzungen oder antisemitische Beleidigungen gegenüber Polizisten.

Der Antisemitismusbeauftragte arbeitet in enger Abstimmung mit Ansprechpartnern bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften. Eine Sonderabfrage des Zentralen Antisemitismusbeauftragten hat ergeben: Insgesamt wurden nach Mitteilung der 22 bayerischen Staatsanwaltschaften im Zeitraum
1. Oktober 2021 bis 30. September 2022 657 Verfahren eingeleitet, davon 89 Verfahren gegen unbekannte Personen.

Eine entscheidende Rolle spielte der Zentrale Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Justiz bei der strafrechtlichen Verfolgung von volksverhetzenden Holocaustvergleichen bei Corona-Demonstrationen. Minister Eisenreich: "Ein Teil der Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker verhöhnt in unerträglicher Weise, etwa mit gelben Impf-Sternen, die Opfer des Nationalsozialismus. Die Verbreitung antisemitischer Verschwörungstheorien und die Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen bilden den Nährboden für Straftaten. Das dulden wir in Bayern nicht. Der Zentrale Antisemitismusbeauftragte hat deshalb erfolgreich auf eine einheitliche Linie der 22 bayerischen Staatsanwaltschaften hingewirkt. Daneben verständigte er sich mit Staatsanwaltschaften anderer Bundesländer auf diese Vorgehensweise." Bayerische Gerichte haben inzwischen in einer Vielzahl derartiger Fälle Verurteilungen wegen Volksverhetzungen ausgesprochen. Zuletzt hat das Bayerische Oberste Landesgericht im Mai dieses Jahres eine landgerichtliche Verurteilung bestätigt.
Eisenreich: "Das ist die erste obergerichtliche Entscheidung in einem Corona-Holocaust-Vergleichsfall überhaupt – jedenfalls bayernweit, aber wohl auch bundesweit." Eine bayernweite interne Linie haben die drei Generalstaatsanwälte in München, Nürnberg und Bamberg im März dieses Jahres auch für den sogenannten "Hitlergruß" und "Sieg-Heil-Rufe" beschlossen.

Wesentliches Ziel bleibt es, das Vertrauen jüdischer Bürgerinnen und Bürger in die Bayerische Justiz weiter zu stärken und sie zur Anzeige zu ermutigen, wenn antisemitische Straftaten begangen werden. Der Zentrale Antisemitismusbeauftragte ist deshalb auch in die Schulung von Polizeibeamten eingebunden. Diese sind meistens der erste Kontakt jüdischer Menschen nach einer Straftat.

Der Minister: "Wir in Deutschland haben eine besondere Verantwortung für Jüdinnen und Juden. Deshalb darf es bei uns keinen Platz für Judenhass geben. Aus dieser Überzeugung und Verantwortung führt die bayerische Justiz den Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus entschlossen und konsequent. Ich danke dem Zentralen Antisemitismusbeauftragten für sein entschlossenes Eintreten zum Schutz der jüdischen Menschen in Bayern."

Hintergrund:

Die bayerische Justiz geht mit einem Bündel an Maßnahmen gegen antisemitische Straftaten vor – und hat frühzeitig schlagkräftige Ermittlungsstrukturen geschaffen.

  • 2018 wurden drei Antisemitismus-Beauftragte der Bayerischen Justiz bei den drei Generalstaatsanwaltschaften München, Nürnberg und Bamberg eingesetzt. Ende des Jahres 2021 wurden bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften Ansprechpartner Antisemitismus etabliert.

  • Im Januar 2020 wurde Deutschlands erster Hate-Speech-Beauftragter vom bayerischen Justizminister bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschat München zentral für ganz Bayern bestellt. Parallel dazu wurden Sonderdezernate für die Bekämpfung von Hate Speech bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften eingerichtet.

  • Damit antisemitische Motive nicht im Dunkeln bleiben, haben die drei bereits bestehenden Antisemitismus-Beauftragten der Generalstaatsanwaltschaften einen Leitfaden für Staatsanwälte entwickelt. Mit dem auch international beachteten Leitfaden können antisemitische Motive leichter entschlüsselt werden (z.B. anhand von Nazi-Jahrestagen oder Codes).

  • Bayern hat als erstes Bundesland in Deutschland die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) angenommen.

  • Bayern hat sich auch rechtspolitisch in Berlin eingesetzt: Eine judenfeindliche Motivation wird im Gesetz ausdrücklich als strafschärfendes Tatmerkmal genannt. Die Bundesregierung hat den Vorschlag aus dem Freistaat im Jahr 2020 aufgegriffen (§ 46 Absatz 2 Strafgesetzbuch).

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Wussten Sie eigentlich …?

… dass die Fachgerichtsbarkeiten, d.h. die Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichte in Bayern nicht zum Justizressort, sondern zum Geschäftsbereich der jeweiligen Fachministerien gehören?