Amtsgericht Neu-Ulm
10.11.2022

Einsatz für die Stärkung des Rechtsstaats / Kampf gegen Kindesmissbrauch und Korruption / Initiativen Bayerns bei der Herbst-JuMiKo 2022 in Berlin erfolgreich / Der bayerische Justizminister Eisenreich: "Ich freue mich, dass unsere Vorschläge überzeugen konnten. Jetzt ist der Bundesjustizminister gefordert."

Der Einsatz für die Stärkung des Rechtsstaats, länderübergreifende Kooperation im Kampf gegen Kinderpornografie und sexuellen Missbrauch von Kindern, besserer Schutz des Gesundheitswesens vor Betrügern, Abbau gesetzlicher Hürden für Mieterinnen und Mieter sowie Unternehmen: Bei der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und -minister in Berlin (10. November) war der Freistaat mit Initiativen erfolgreich. Der Vorsitzende der 93. Justizministerkonferenz und bayerische Justizminister Georg Eisenreich: "Ich freue mich sehr, dass wir mit unseren Vorschlägen in Berlin überzeugen konnten."

I. Pakt für den Rechtsstaat verstetigen und neuer Digitalpakt

Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung kündigt die Verstetigung des Pakts für den Rechtsstaat und einen neuen Digitalpakt an – beides ist bislang nicht umgesetzt. Auf Antrag Bayerns, Hamburgs und Baden-Württembergs fordert die Justizministerkonferenz den Bundesjustizminister erneut zum Handeln auf. Die Forderung der Länder: Das Ursprungsvolumen des Pakts in Höhe von 220 Millionen Euro soll fortgeführt und für die Jahre 2023 bis 2027 in drei Tranchen ausgezahlt werden. Dazu wird ein neuer Digitalpakt mit einem Volumen von 350 Millionen Euro im Jahr – angelehnt an die Berechnungen des E-Justice-Rats – für die nächsten drei Jahre gefordert. Eisenreich: "Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mahnt uns, dass Frieden, Freiheit und Demokratie Tag für Tag verteidigt werden müssen. Wir erwarten eine angemessene Beteiligung des Bundes an Kosten, die durch Bundesgesetze verursacht werden."

II. Länderübergreifende Zusammenarbeit gegen Kinderpornografie und Kindesmissbrauch stärken

Fast 40.000 Fälle von Kinderpornografie allein im vergangenen Jahr, mehr als 15.500 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch: Die Justizministerkonferenz hat sich angesichts der erschreckenden Zahlen auf Antrag Bayerns dafür ausgesprochen, die Rahmenbedingungen für eine länderübergreifende Zusammenarbeit zu verbessern. Minister Eisenreich: "Unsere Ermittlerteams müssen riesige Datenmengen bewältigen. Um die Verfahren zu beschleunigen, wollen wir länderübergreifend Standards und einheitliche Vorgehensweisen bei technischen und rechtlichen Fragen gemeinsam definieren. Deshalb begrüßen wir die Bund-Länderarbeitsgruppe 'Digitale Daten' und werden sie weiterhin unterstützen. Auch über den Einsatz Künstlicher Intelligenz müssen wir uns über Ländergrenzen hinweg austauschen. Den Bund fordern wir auf, seine geplanten ausgeweiteten Ermittlungsinstrumente den Strafverfolgungsbehörden unmittelbar zur Verfügung zu stellen."

III. Rasche Wiederbelebung der Verkehrsdatenspeicherung

Bei der Verfolgung von Kinderpornografie können IP-Adressen den einzigen Ermittlungsansatz darstellen. Bayern hat sich deshalb mit einem Antrag dafür eingesetzt, die vom Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 20. September 2022 gelassenen Spielräume für die verpflichtende Speicherung von IP-Adressen im Kampf gegen schwere Verbrechen zu nutzen. Eisenreich: "Fehlende Verkehrsdatenspeicherung kann verhindern, dass wir Straftaten aufklären und zum Teil noch laufenden Kindesmissbrauch stoppen können. Wer die Verkehrsdatenspeicherung ablehnt, der bremst unsere Ermittlerinnen und Ermittler aus." Hamburg und Sachsen haben sich dagegen mit einem Antrag für das vom Bundesjustizminister favorisierte "Quick-Freeze-Verfahren" ausgesprochen. Dieses Verfahren ist nach Eisenreich jedoch keine Lösung: "Das Modell als echte Alternative darzustellen, ist entweder bewusste Augenwischerei oder Unkenntnis. Wo nichts ist an Daten, lässt sich auch nichts einfrieren." Am Ende fand der Antrag von Hamburg und Sachsen eine knappe Mehrheit. Der Minister: "Ich werde mich weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen, unseren Ermittlerinnen und Ermittlern dieses wichtige Ermittlungsinstrument verpflichtend gespeicherter IP-Adressen nicht vorzuenthalten."

IV. Kinder und Jugendliche vor Straftaten im Internet schützen

Beim Besitz, der Beschaffung oder Verbreitung von Kinderpornografie hatten minderjährige Täter mit etwa 40 Prozent im vergangenen Jahr einen erheblichen Anteil. Seit 2018 hat sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die Missbrauchsdarstellungen weiterverbreiteten, besaßen oder herstellten, verzehnfacht. Justizminister Eisenreich: "Schülerinnen und Schüler sind sich oft gar nicht bewusst, wie schnell sie sich strafbar machen können und was die Folgen sind." Die Konferenz ist sich einig, dass Information und Aufklärung der Kinder und Jugendlichen ressort- und länderübergreifend intensiviert werden sollte. Ein Beispiel hierfür ist die mit Preisen ausgezeichnete bayerische Präventionskampagne "Mach dein Handy nicht zur Waffe", für die Videokünstler Falco Punch gewonnen werden konnte. Falco Punch ist mit fast dreizehn Millionen Followern bei TikTok einer der erfolgreichsten Influencer in Deutschland.

V. Unser Gesundheitssystem besser vor Betrügern schützen

Pflegedienstbetrug, Schmiergelder, Abrechnungen für nicht erbrachte Leistungen: Die Konferenz fordert auf Initiative Bayerns einen besseren Schutz unseres Gesundheitssystems und den Aufbau spezialisierter Ermittlungseinheiten, so wie es sie z.B. in Bayern mit der "Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen" (ZKG) gibt. Gefordert werden auch eine Ausweitung der Vor-Ort-Kontrollen durch die Krankenkassen und eine bundesweit angelegte Dunkelfeldstudie. Minister Eisenreich: "Die steigenden Kosten belasten die Krankenkassen und die Versicherten, die derzeit einen historischen Rekordwert zahlen. Wir müssen das Gesundheitswesen nachhaltig vor Betrug und Korruption schützen."

VI. Bestandschutz für günstigen Mieten bei Umzug in kleinere Wohnungen

Der Wohnraummangel ist groß, zugleich gibt es zahlreiche sogenannte "stille Wohnraumreserven". Vor allem viele ältere Mieterinnen und Mieter wünschen sich zwar häufig den Umzug in eine kleinere, bedarfsgerechte Wohnung. Sie können sich höhere Mieten aber oft nicht leisten. Auf Initiative Bayerns will die Konferenz dieses Potential durch ein gesetzliches Wohnungswechselmodell nutzen, das einen einvernehmlichen Wohnungstausch beim selben Vermieter regelt. Minister Eisenreich: "Wir wollen, dass sich Menschen mit normalen Einkommen, Familien und Senioren das Leben in den Ballungsräumen weiter leisten können. Deshalb wollen wir einen rechtlichen Bestandschutz für günstige Mieten bei Umzug in kleinere Wohnungen schaffen. Der Vorteil für den Vermieter: Er kann sogar wirtschaftlich profitieren, wenn er dann statt einer kleinen Wohnung eine größere Wohnung neu vermieten kann."

VII. Ökostrom-Offensive durch den Abbau rechtlicher Hürden

In Zeiten steigender Strompreise ist es notwendig, die Energiewende weiter voranzutreiben. Zwei Anträge Bayerns zur Energiewende waren erfolgreich. Der Bund wird aufgefordert, rechtliche Hürden für die Installation von Mini-Photovoltaikanlagen abzubauen. Dazu soll im Gesetz ein grundsätzlicher Anspruch auf den Einsatz von Balkonkraftwerken für Mieter und Wohnungseigentümer verankert werden. Mit einem zweiten Antrag soll die Grundbucheinsicht für Anlagenbetreiber erleichtert werden. Für Versorgungsunternehmen, die Anlagen u. a. zur Fortleitung von Elektrizität, Gas und Wasser betreiben, sieht die Verordnung zur Durchführung der Grundbuchordnung bereits eine erleichterte Grundbucheinsicht vor, nicht aber für Unternehmen, die Solaranlagen oder Windkraftwerke errichten wollen. Minister Eisenreich: "Jede Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Energien kann in Zeiten großer Energieknappheit und steigender Strompreise helfen."

VIII. Streit ums Erbe: Unnötige gerichtliche Auseinandersetzungen vermeiden

Der Streit ums Erbe macht etwa ein Viertel aller Rechtsstreitigkeiten im privaten Bereich aus. Die Justizministerkonferenz fordert deshalb den Bundesjustizminister auf, einen Vorschlag für eine umfassende Reform der Auskunftsansprüche zwischen Erben, Pflichtteilsberechtigen und Beschenkten vorzulegen. Eisenreich: "Wir streben eine Gleichbehandlung der Auskunftspflichten und bessere Ermittlungsmöglichkeiten für Notare an. Klare gesetzliche Regelungen können Streit in ohnehin auch emotional schwierigen Auseinandersetzungen vermeiden und auch unsere Gerichte entlasten."

IX. Wettbewerbssituation deutscher Unternehmen durch Reform des AGB-Rechts verbessern

Das deutsche AGB-Recht gilt für Verträge zwischen Unternehmen als überreguliert und teils nicht praxistauglich. Besonders in der Kritik stehen im internationalen Vergleich schlechtere rechtliche Möglichkeiten für Individualvereinbarungen und Haftungsausschlüsse. Auf Initiative von Bayern und Rheinland-Pfalz fordert die Justizministerkonferenz eine zielgerichtete Reform wissenschaftlich begleitet anzugehen. Minister Eisenreich: "Das AGB-Recht darf für Unternehmen kein Hindernis sein oder gar Fluchtgrund aus dem deutschen Recht. Deshalb muss es praxisgerechter gestaltet werden, ohne deswegen die berechtigten Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen aus den Augen zu lassen."

Eisenreich: "Ich freue mich, dass unsere Vorschläge überzeugen konnten. Jetzt ist der Bundesjustizminister gefordert."

Die Beschlüsse der Konferenz sind abrufbar unter:

https://www.justiz.bayern.de/ministerium/justizministerkonferenz/herbstkonferenz/

Pressefotos erhalten Sie unter

https://www.picdrop.com/buerofuerfotografieundbild/QXPNGSmJ9V.

Die Aufzeichnung der Pressekonferenz ist abrufbar unter

https://youtu.be/zwsLGXAx6pw.

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