Amtsgericht Neu-Ulm
10.11.2023

Kampf gegen Hass und Hetze sowie neue Gefahren im Internet / Maßnahmen gegen Jugendgewalt / Initiativen Bayerns bei der Herbst-JuMiKo 2023 erfolgreich / Bayerns Justizminister Eisenreich: "Die Konferenz hat sich erneut als wichtige rechtspolitische Ideenschmiede erwiesen. Ich freue mich sehr, dass Vorschläge aus Bayern überzeugen konnten."

Die 94. Herbstkonferenz der Justizministerinnen und -minister in Berlin stand im Zeichen des menschenverachtenden Terrorangriffs der Hamas auf Israel. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich, zugleich Sprecher der unionsgeführten Länder (B-Seite): "Mit dem Krieg in Israel hat der Antisemitismus in Deutschland neuen gefährlichen Nährboden erhalten. Wer den Terror der Hamas leugnet oder bejubelt, verhöhnt das Leiden der Opfer auf unerträgliche Weise. Ich freue mich, dass wir mit der Resolution der Justizministerinnen und -minister und Senatorinnen ein klares Signal aus Berlin senden: Die Länder stehen gemeinsam und unverbrüchlich an der Seite Israels und der Jüdinnen und Juden. Antisemitische Straftaten werden von der Justiz konsequent verfolgt."

Bayern hat bei der Konferenz erneut zahlreiche Reformvorschläge eingebracht, die eine Mehrheit gefunden haben. Im Zentrum standen der Kampf gegen Hass und Hetze, Maßnahmen gegen Jugendgewalt und die Herausforderungen der Digitalisierung.

Die bayerischen Initiativen im Einzelnen:

I. Digitalgipfel: Gemeinsame Erklärung von Bund und Ländern

Im Vorfeld der 94. Justizministerkonferenz fand zudem der dritte Digitalgipfel von Bund und Ländern statt. Bund und Länder haben auf Initiative Bayerns eine gemeinsame Erklärung verabschiedet. Darin vereinbaren sie einen Vier-Punkte-Plan für die Modernisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Digitalisierung. Dazu gehören die folgenden Beschlüsse:

  • das Verfahrensrecht soll vereinfacht und von Hindernissen befreit werden,

  • Rechtsgrundlagen für Pilotierungen in den Prozessordnungen sollen geschaffen werden,

  • Prüfung der schnellstmöglichen Umsetzung von Reformvorschlägen von Bund-Länder-Arbeitsgruppen aus dem Digitalisierungsbereich

  • und eine gemeinsame Reformkommission von Bund und Ländern insbesondere zur Modernisierung des Zivilprozesses, die notwendige Reformen im Prozessrecht vorbereitet, soll eingesetzt werden. Eisenreich: "Wir brauchen eine breit geführte Diskussion, die alle Akteure einbezieht: Gerichte, Rechtsanwälte, Wissenschaftler, Wirtschaft, Verbraucherverbände."

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: "Nur gemeinsam können Bund und Länder die zahlreichen Herausforderungen der Digitalisierung in der und für die Justiz stemmen. Einzel-Projekte und punktuelle Verbesserungen reichen nicht. Wir brauchen jetzt einen großen Wurf."

Schon beim ersten Digitalgipfel in diesem Jahr hat Minister Eisenreich die Bedeutung einer besseren Zusammenarbeit von Bund und Ländern für eine erfolgreiche digitale Transformation der Justiz hervorgehoben. Eisenreich: "Die Freigabe von rund 94 Millionen Euro durch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages im Oktober ist ein erster Schritt der Beteiligung des Bundes an den Kosten. Der Koalitionsvertrag ist damit noch nicht erfüllt. Der größte Teil wird in die Entwicklung des sogenannten 'Gemeinsamen Fachverfahrens für die Justiz' – kurz 'GeFa' fließen."

II. Gewaltkriminalität von Jugendgruppen konsequent verfolgen

Jugendliche Intensivtäter und Jugendbanden: Die Gewaltkriminalität von Jugendlichen nimmt nach Jahren des Rückgangs wieder zu, laut Polizeilicher Kriminalstatistik deutschlandweit im Jahr 2022 um 11,9 % gegenüber dem Jahr 2019, in Bayern um 17,1 %. Die Justizministerkonferenz setzt sich auf Initiative Bayerns für eine konsequente Strafverfolgung ein. Der Bundesjustizminister wird aufgefordert, eine Studie zu den Ursachen der gestiegenen Kinder- und Jugendgewalt in Auftrag zu geben und auf deren Grundlage zu prüfen, ob gesetzliche Änderungen erforderlich sind. Eisenreich: "Durch Prävention einerseits und durch eine frühzeitige Intervention andererseits sollen Straftaten im Leben von jungen Menschen vermieden werden. Ein großer Teil der schweren und wiederholten Taten wird durch eine kleine Gruppe von Intensivtätern und aus Gruppen heraus verübt. Jugendliche Intensivtäter müssen frühzeitig gestoppt werden."

III. Keine Straftaten im Namen des Klimaschutzes

Der Kampf gegen den Klimawandel ist ein existenzielles Thema für die Menschheit. Straftaten im Namen des Klimaschutzes sind aber nicht hinnehmbar. Das Strafrecht bietet grundsätzlich bereits ausreichende Möglichkeiten zur Ahndung von Straftaten bei Störaktionen. Gleichzeitig ist auch der Schutz von Unbeteiligten, die z.B. bei Störungen des Betriebs von Flughäfen oder der Behinderung von Rettungsfahrzeugen erheblich betroffen und gefährdet sein können, ein wichtiges Anliegen von Minister Eisenreich: "Ein kleiner Teil der Letzten Generation gefährdet die Gesundheit und das Leben anderer Menschen. Hier ist in besonderem Maße eine klare und eindeutige Reaktion des Rechtsstaats notwendig, die dem Unrecht dieser Taten, die oft durch besondere Rücksichtslosigkeit geprägt sind, gerecht wird." Auf Initiative Bayerns und mit Unterstützung Baden-Württembergs sowie Brandenburgs, Berlins, Hessens und Schleswig-Holsteins fordert die Justizministerkonferenz den Bund auf, zu prüfen, ob die bestehenden Strafrahmen dem Unrecht in diesen Fällen gerecht werden.

IV. Besserer Schutz vor Stalkern

Die Justizministerkonferenz fordert auf Initiative Bayerns und Hamburgs einen besseren Schutz vor heimlicher Überwachung von Personen durch Bluetooth-Tracker und Peilsender. Zuletzt waren Fälle bekannt geworden, in denen Stalker sogenannte AirTags einsetzten, um ihre Opfer auszuspionieren. Minister Eisenreich: "Bayern hat sich bereits erfolgreich für eine Verschärfung des Stalking-Paragrafen eingesetzt. Tracker wie AirTags werden von den neuen Regelungen aber weiter nicht rechtssicher erfasst. Die Vorstellung, jederzeit beispielsweise durch den Ex-Partner aufgespürt werden zu können, kann gravierende seelische und körperliche Folgen bei Betroffenen auslösen."

V. Schutz vor Kriminalität unter Einsatz Künstlicher Intelligenz

Kriminelle gehören oftmals zu den Ersten, die neue technische Möglichkeiten für ihre Zwecke missbrauchen. Schon jetzt greifen sie zu generativer KI und setzen Deepfakes ein – täuschend echt wirkende Bilder, Stimmen oder Videos. Bayerns Justizminister Eisenreich: "Wir stehen am Beginn eines neuen Zeitalters. Vieles ist noch gar nicht absehbar. Generative KI-Programme sind für jedermann verfügbar, immer leichter zu bedienen und von immer besserer Qualität. Das Strafrecht muss deshalb auf der Höhe der technologischen Entwicklungen sein." Auf Initiative Bayerns fordern die Justizministerinnen und -minister das Bundesjustizministerium auf, zusammen mit einer Expertengruppe aus Vertretern von Justiz und IT-Sicherheitsforschung Klarheit über den rechtspolitischen Handlungsbedarf angesichts des technologischen Fortschritts zu schaffen. Eisenreich: "Das Tempo der Digitalisierung ist rasant. Mit dem technischen Fortschritt werden sich auch die damit verbundenen strafrechtlichen Fragen weiter verändern. Die Risiken müssen zeitnah in den Blick genommen werden."

VI. Melde- und Löschpflicht bei strafbaren Inhalten im Internet

Am 17. Februar 2024 erlangt das europäische Regelwerk für Internet-Plattformen umfassende Geltung ­– der Digital Services Act (DSA). Die Bundesregierung hat inzwischen einen Entwurf für ein Digitale-Dienste-Gesetz vorgelegt, um den DSA in Deutschland umzusetzen. Danach soll das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vollständig aufgehoben werden. Auf Initiative Bayerns fordern die Justizministerinnen und -minister den Bundesjustizminister auf, den Entwurf dringend in zwei Punkten nachzubessern. Bayerns Justizminister Eisenreich: "Der DSA bringt insgesamt Fortschritte im Kampf gegen Hasskriminalität. Beim Melden und Löschen strafbarer Inhalte drohen jedoch Schutzlücken, die der Bundesjustizminister so weit wie möglich beseitigen muss. Mit dem Krieg in Israel hat der Antisemitismus in Deutschland neuen gefährlichen Nährboden erhalten. Deshalb ist es höchste Zeit, die Plattformbetreiber noch stärker in die Pflicht zu nehmen."

VII. Mehr Rechtssicherheit bei der Modernisierung von urheberrechtlich geschützten Gebäuden

Nicht nur Gemälde oder Musikstücke – auch Bauwerke können urheberrechtlichen Schutz genießen. Bei solchen "Werken der Baukunst" drohen immer wieder rechtliche Streitigkeiten oder kostspielige Bauverzögerungen. Grund: Wer ein solches Gebäude umbauen möchte, muss zuvor die Zustimmung des Architekten oder von dessen Erben einholen, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Das Urheberrecht erlischt erst 70 Jahre nach dem Tod des Architekten. Eisenreich: "Häuser sind keine Gemälde. Sie dienen einem Gebrauchszweck und müssen wandelnden Bedürfnissen angepasst werden können." Die Justizministerkonferenz hat deshalb im Herbst 2020 auf Initiative Bayerns eine Arbeitsgruppe zu dem Thema eingesetzt. In ihrem Abschlussbericht empfiehlt die Arbeitsgruppe mehrere Änderungen im Urheberrecht, um mehr Rechtssicherheit bei der Modernisierung von urheberrechtlich geschützten Gebäuden zu schaffen – für öffentliche und private Bauherren, aber auch für Architekten. Änderungen zur Verwirklichung des Gebrauchszwecks sollen demnach in der Regel zulässig sein, rein ästhetische Änderungen dagegen nicht. Die Ministerinnen und Minister fordern den Bundesjustizminister auf, die Empfehlungen der Arbeitsgruppe umzusetzen.

Die Bilanz des bayerischen Justizministers: "Die Justizministerkonferenz hat sich erneut als wichtige rechtspolitische Ideenschmiede erwiesen. Jetzt ist der Bund gefordert."

Die Beschlüsse der Konferenz sind abrufbar unter www.jumiko.de

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Ihren Mut zur Freiheit haben die Geschwister Scholl und vier ihrer Freunde mit dem Leben bezahlt. Wohin es führen kann, wenn die Dritte Gewalt im Staate ihre Unabhängigkeit verliert, zeigt die Dauerausstellung Willkür "Im Namen des Deutschen Volkes".


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Wussten Sie eigentlich …?

… dass die Fachgerichtsbarkeiten, d.h. die Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichte in Bayern nicht zum Justizressort, sondern zum Geschäftsbereich der jeweiligen Fachministerien gehören?